Jigs mit Stahlkopf und Sollbruchstellen - zur Schonung von Umwelt und Geldbörse


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Erstveröffentlichung am 22. Mai 2022

Letzte Aktualisierung: 02.02.2024

Gummiköder auf Gelatinebasis

Hier beschäftige ich mich mit Gummiködern auf Gelatinebasis, die ungiftig sind und bei Abriss keinen Kunststoffmüll hinterlassen, sondern als Futter für Grundeln und Co enden.

Die gute Nachricht zuerst: Gummiköder aus Gelatine funktionieren auch!

Siehe diesen 54er-Donau-Zander...
Großes Bild

... gefangen am 04.06.2023 mit 10cm-Gummifisch aus Gelatine; Offsetmontage mit 10g-Stahlkopf


Gründe warum es wichtig ist, dass Gummiköder biologisch abbaubar sind:
1. Plastikmüll endet langfristig gesehen als Mikroplastik und kann in die Nahrungskette gelangen und so Schaden für Mensch und Tier anrichten.
2. Fische können aber auch direkt von den Ködern geschädigt werden, wenn sie abgerissene Köder fressen, weil sie sie mit genießbare Nahrung halten. Das gilt wohl insbesondere für aromatisierte Köder. Das kommt leider öfter vor, wie der Mageninhalt dieses Barsches eindrücklich veranschaulicht.


Der Gummiwurm ging kurz vor dem Fang des Barsches bei einem Fehlbiss verloren. Obwohl aus Kunststoff, hat ihn der Barsch vollständig verschluckt. Zusätzlich hatte er auch noch einen Schaufelschwanz eines anderen Köders im Magen.
Quelle: https://www.barsch-alarm.de/community/threads/non-toxic-gummis.29839/page-20#post-961852
(Mit freundlicher Erlaubnis des Autors)

Auch auf dieser Seite aus den USA ist ein Foto eines Salmoniden zu sehen, der mehrere Gummiköder im Magen hatte.


Hier das Rezept, das ich derzeit zur Herstellung der Gelatineköder verwende.

Zutaten:
- 3 Blatt Gelatine
- Leitungswasser zum Einweichen der Gelatineblätter
- 2 Teelöffel (=10ml) Glyzerin
- 1 Teelöffel Kristallzucker
(bzw. je nach benötigter Menge ein Vielfaches dieser Zutaten)
- nach Bedarf ein paar Tropfen Lebensmittelfarbe oder auch etwas färbige Kreide
- ev. feinen Nähgummi zur Erhöhung der Reissfestigkeit
Bezugsquellen: Gelatine und Lebensmittelfarbe bekommt man in der Backzutatenabteilung im Supermarkt, Glyzerin in der Apotheke oder billiger im Internet.

Zubereitung:
- Die Gelatineblätter zuerst ca. 5 min. in eine Schale mit kaltem Wasser einlegen, damit sie aufquellen können.
- Dann die Gelatineblätter ausdrücken und in einen kleinen Topf mit Ausgießschnabel geben.
- Glyzerin und Zucker dazugeben
- Unter gelegentlichem Umrühren das Ganze auf dem Herd auf ca. 55 Grad erwärmen, bis die Masse ausreichend geschmolzen ist. (Damit garantiert Nichts anbrennen kann, stelle ich den kleinen Topf in ein Wasserbad in einem zusätzlichen, etwas großeren Topf)
- Nach Belieben Lebensmittelfarben beimengen. Soll der Köder weniger transparent sein, füge ich etwas (färbigen) Kreidestaub bei.

Gießen:
- Sobald die Masse ausreichend flüssig ist, kann man sie in die Form gießen. Ev. zuvor in die Form Verstärkungsmaterial einlegen, um die Reissfestigkeit zu erhöhen.
Sollte die Masse mal etwas zu dickflüssig geworden sein, kann man einfach etwas Wasser beigeben, bis die Konsistenz wieder passt.
- Nach dem Gießen die Form ca. 10 min. ins Tiefkühlfach geben, damit der Köder rasch fest wird.
- Der Köder ist anschließend ausreichend fest und kann aus der Form entnommen werden. (Wird auch bei Zimmertemperatur fest, dauert aber halt entsprechend länger.)
Als Gieß-Formen verwende ich derzeit fertig gekaufte Silikonformen.
Anmerkung: Da beim derzeitigen Rezept - wie schon früher angemerkt - die Reissfestigkeit nicht sehr gut ist, gieße ich für Offsetmontage die Köderhalterspirale gleich mit ein. So hält sie deutlich besser, als wenn sie nachträglich eingeschraubt wird. Gilt analog für Jighaken.

Arbeiten kann man natürlich in der Küche, weil anders als beim Plastisol-Gießen keine giftigen Dämpfe entstehen und man daher auch keine Schutzmaske braucht. Auch Verbrennungsgefahr besteht durch die geringe benötigte Hitze praktisch nicht. Es gibt auch keine Geruchsbelästigung (außer man will Fischöl etc. dazumischen :)).

Ein Blick auf die benötigten Zutaten (exkl. Leitungswasser):

Gießform:
Dazu habe ich einfachheitshalber eine fertige Gießform aus Silikon genommen.

Gibt es bei bleigussformen-shop.de um ca. 8 Euro.
Ich bin damit auf Anhieb gut zurecht gekommen. Die Gießmasse wird von oben eingefüllt. Die Form aus Silikon hat den Vorteil, dass sie durchsichtig ist und man somit gut sieht, ob sich die Masse gut verteilt und keine Luftblasen vorhanden sind. Man kann damit 2 Größen gießen (6cm für Forelle/Barsch und 10cm für Zander).

Hier einige Beispiele meiner Gießversuche:


Flexibel sind sie...


Ein Köder mit eingegossenem Fliegengitter zur Erhöhung der Reissfestigkeit


Einige hergestellte Köder im Überblick + interessiertes Aitel (Döbel)

Erfahrungen damit:
- Die Flexibilität des Materials ist gut. Die Schaufelschwänze wackeln.
- Die Reissfestigkeit ist geringer als bei Plastisolködern. man kann sich aber mit ein paar Maßnahmen abhelfen. Details siehe weiter unten.
- Im Wasser quellen die Köder etwas auf (werden ca. 15% größer), lösen sich aber nicht auf. Im Trockenen schrumpfen sie langsam wieder auf die ursprüngliche Größe.
- Durch das zugesetzte Glyzerin trocknen die Köder nicht aus.
- Die Köder sollten nicht viel über 25°C erwärmt werden, sonst schmelzen sie.
- Das Interesse der Fische ist gut. Konnte schon einige Zander damit fangen. Auch Döbel und Forellen reagieren gut darauf.
- Die Gelatine-Köder in meiner jetzigen Ausführung sind nicht ganz so pflegeleicht und robust wie Köder aus Kunstoff, aber haben eben klar den Vorteil, dass sie umweltfreundlicher sind, weil sie bei Abriss keinen Plastikmüll hinterlassen. Mit Lebensmittelchemie-Knowhow und weiteren Versuchen lassen sich die Köder sicher weiter optimieren. Aber auch das verwendete Grundrezept fängt schon mal Fische!


Weitere Infos und Details:

1. Haltbarkeit

Haltbarkeit bei Aufbewahrung und Transport
Da bei der derzeit verwendeten Rezeptur keine Konservierungsstoffe zugesetzt sind, sind die Köder ungekühlt (wie Lebensmittel) nur begrenzt haltbar. Abhilfe schafft aber gekühlt lagern oder einfrieren:
- Für 2-3 Wochen genügt die Lagerung im Kühlschrank
- Für längerfristige Lagerung empfiehlt sich Einfrieren. Das überstehen die Köder problemlos. Sie werden aufgrund des enthaltenen Glyzerins auch bei -18° nicht wirklich steif und können auch mehrfach eignefroren werden, falls von einer Angeltour noch Köder übrig geblieben sind.
- Für den Transport zum Wasser und beim Angeln selbst, ist keine Kühlung erforderlich. Es muss nur beachtet werden, dass die Köder keinen Temperaturen über ca. 30° ausgesetzt werden, da sie sonst schmelzen.

Haltbarkeit beim Angeln
Gelatine quillt im Wasser etwas auf. Die Köder werden dadurch etwa 15% größer (länger).

Ein Bild zum Vergleich:

Beide Gummifische wurden mit der selben Form gegossen.
Der obere lag ca. 1,5 Stunden in einem Glas Leitungswasser. Der untere nicht.

Das Aufquellen stellt soweit beim Angeln kein Problem dar.
Von Bedeutung ist aber die geringere Reissfestigkeit, worauf ich im nächsten Absatz genauer eingehe.

Haltbarkeit bei Biss und Drill
Fehl-Bisse überstehen die Köder je nachdem wie der Biss ausgesehen hat schon, aber Bisse mit anschließendem Drill überstehen die Köder aufgrund der geringeren Zähigkeit in der Regel nicht.
Beim Zanderangeln sehe ich darin keinerlei Problem. Die Zanderbisse sind bei mir so selten, da opfere ich gerne für jeden gefangenen Zander einen Köder.
Beschädigte Köder lassen sich gut wiederverwerten. Man kann sie einfach einschmelzen und daraus wieder neue Köder gießen. Kleine Köder-Beschädigungen lassen sich auch gut mit ein paar Tropfen Gelatine reparieren.
Die geringere Zähigkeit könnte bei der Bissverwertung auch einen Vorteil haben. Durch die geringere Zähigkeit wird der Köder beim Biss eher sofort zerquetscht, wodurch der Haken ev. leichter greift. (Werde dazu noch mehr Erfahrung sammeln.)

2.) Reissfestigkeit:
Die Reissfestigkeit ist bei Gelatine-Ködern (zumindest die mit obiger Rezeptur hergerstellt wurden) geringer als bei Plastisol-Ködern. Ich habe mir aber einige Lösungen überlegt, die die Köder trotzdem gut verwendbar machen

- Verstärkung des Köders durch Mitgießen eines Fadens (auch ein feines Gewebe ist möglich).
Das verringert die Gefahr, dass der Schaufelschwanz abreißt deutlich. Beachtet muss dabei lediglich werden dass der Faden elastisch ist, weil sich die Gelatine ja im Wasser ausdehnt und sich somit der Faden mitausdehnen können muss, damit sich der Köder nicht verzieht. Ich habe gute Erfahrungen mit einem dünnen Nähgummi gemacht.

Hier sieht man den miteingegossenen Faden deutlich:


- Hilfreich bei Jigkopf-Montage ist auch, den Köder nach dem Aufziehen auf den Haken mit ein paar Tropfen geschmolzener Gelatine (zB mit Feuerzeug) am Jigkopf anzukleben, wie man auf obigem Bild und beim Köder beim Fangbild des 38cm-Zanders weiter unten auch erkennen kann. Auch die Hakenaustrittsstelle kann man durch Verkleben verstärken, ev. zusätzlich mit einem kleinen Gummiplättchen verstärkt.

Weitere Maßnahmen:
- Bei Offsetmontagen ist es günstig, die Köderhalterspirale gleich miteinzugießen (siehe einige Bilder weiter oben). Dadurch hält sie wesentlich besser im Köder, als wenn sie nachträglich eingeschraubt wird
- Günstig sind Köderformen mit nicht zu kräftigem Wackelschwanz, damit nicht zu große Kräfte auf den Schwanz kommen, wodurch die Gefahr des Abreissen verringert wird.
- Oder man verwendet NoAction-Formen, mit denen ich auch schon Zander gefangen habe.


Kaufbare, biologisch abbaubare Gummiköder:

- www.captngreenfin.com: 2022 gegründeter Schweizer Hersteller, der lt. eigenen Angaben 100% natürliche Weichköder herstellt. Die Firma bietet derzeit 5cm- und 10cm-Pintail-Köder in 3 verschiedenen Farben an. Capt'n Freenfin hat 2022 die Swiss Suistainability Challenge gewonnen und wird von Innosuisse (Schweizer Agentur für Innovationsförderung) mit einem Betrag von 260.000 Franken gefördert, mit dem die Firma gemeinsam mit einem Uni-Institut biologisch abbaubare Materialien für Köder entwickeln bzw. die Eigenschaften des schon entwickelten Materials weiter optimieren und verbessern soll. Details siehe: https://punkt4.info/social-news/news/captn-greenfin-erhaelt-von-innosuisse-260000-franken.html

Hier ein 10cm-Greenfin-Köder (montiert auf einem 10g-Stahljig):


- www.ecologicallures.com: US-Firma, die bereits kunststofffreie, biologisch abbaubare Gummiköder auf Gelatinebasis anbietet. Deren Köder sind derzeit (Stand Oktober 2023) aber noch nicht in Europa erhältlich.


Links:

-Liste von Gummiködern, die weniger umwelt- und/oder gesundheitsschädigend sind als herkömmliche Köder aus PVC + Phtalatweichmachern. Manche sind zusätzlich biologisch abbaubar. (Zu finden im Barschalarm-Forum):
https://www.barsch-alarm.de/community/threads/non-toxic-gummis.29839/page-30#post-1016817

- www.youtube.com/watch?v=x2qKkrlyftQ: Ein Video, wie jemand auf etwas andere Weise Material und Gummiköder auf Gelatinebasis herstellt:

- https://github.com/seyDoggy/biopolymer-recipe: Ein ähnliches (nehme an privates) Projekt eines Amerikaners
Rezept und Entwicklungsstand ähnlich wie bei meinem Projekt.

- www.jellybait.de: Ein Shop, der ungiftiges und kunstofffreies Material für die Gummiköderherstellung anbietet. Um welches Material es sich handelt, wird im Shop nicht mitgeteilt.

- www.frontiersin.org/articles/10.3389/fmars.2023.1182395/full: Kanadische wissenschaftliche Studie, die sich mit der Verbesserung eines Materials zur Herstellung von biologisch abbaubaren Ködern beschäftigt. Finde es auf jeden Fall positiv, dass die Problematik des Plastikmülls durch Gummiköder auch von wissenschaftlicher Seite angegangen wird. Es gibt offenbar Problembewußtsein und wissenschaftliche Forschung bzgl. geeigneter, biologisch unbedenklicher Alternativ-Materialien.

Seiten aus den USA zum Thema biologisch abbaubare Köder:
Soweit ich bisher gesehen habe und einschätze, dürften biologisch abbaubare Köder in den USA schon mehr als bei uns ein Thema und Trend sein, aber konkrete Produkte dürften auch noch nicht so viele existieren.
Hier einige Links diesbezüglich:
https://alternativefishinglures.com/collections/upcycled-soft-lures
https://biobait.com
https://cleancatch.ca/pages/about-us
https://ecoluremaker.com/ecoluremaker
https://kayakanglermag.com/gear/fishing-gear-accessories/lures-baits/biodegradable-fishing-lures/

 

FANGFOTOS:

02.07.2023
Zander (48cm )


gefangen mit 10cm Gelatine-Fisch, montiert auf 8g-Stahljig, Marke Eigenbau

16.06.2023
Zander (48cm)


gefangen mit 10cm Gelatine-Fisch, montiert auf 10g-Stahljig, Marke Eigenbau

13.06.2023
Zander (38cm)


gefangen mit 10cm Gelatine-Fisch, montiert auf 10g-Stahljig, Marke Eigenbau


13.06.2023
Zander (ca. 25cm)

Selbst dieser Minizander schnappte sich schon einen 10cm-Gelatineköder, montiert am 10g-Stahljig


17.04.2023
Bachforelle (32cm)


gefangen mit 6cm Gelatine-Fisch, montiert auf 3g-Stahljig, Marke Eigenbau


23.03.2022
Aitel/Döbel (40cm)


gefangen mit 6cm Gelatine-Fisch mit eingegossenem Fliegengitter an Offsethaken